Auf einer Corona-Sitzung ärgerte sich Markus Söder über Olaf Scholz und sagte: »Sie brauchen hier gar nicht so schlumpfig herumzugrinsen«. Der Sozialdemokrat erwiderte später auf den Vergleich mit einem Schlumpf: »Die sind klein, listig und gewinnen immer«. Kurz vor der Wahl hat die lange Zeit hoffnungslos abgeschlagene SPD gute Chancen, dass ihr schlumpfig grinsender Kandidat Bundeskanzler wird. Eine Entwicklung, mit der kaum jemand gerechnet hat – außer vielleicht Scholz.
Sein 2017 erschienenes Buch trägt den Titel „Hoffnungsland: Eine neue deutsche Wirklichkeit“. Klingt das nicht revolutionär? Die breite gesellschaftliche „Mitte“, deren Präferenz ausschlaggebend für Wahlen ist, müsste eigentlich aufhorchen. Sie war bislang mit der „deutschen Wirklichkeit“ zufrieden: Wohlstand, Stabilität, Sicherheit und Ordnung. Immer mehr Menschen wird allmählich bewusst, dass die „deutsche Wirklichkeit“ nicht ewig so wie gewohnt bleiben wird; der Druck der immer zahlreicher und drängender werdenden Probleme wird immer größer.
Wenn die Wählerinnen und Wähler auf Scholz setzen, dann wohl auch deshalb, weil sie denken, dass er eher in der Lage ist, die Probleme zu lösen. Der technokratische Politikertyp zeichnet sich durch die Vielzahl der übernommenen Ämter und Posten aus. Er ist der Polit-Allrounder, der jede „Verantwortung“ im Partei- und Regierungsapparat übernimmt und sich jeder „Herausforderung“ stellt. Trotz der lange Zeit miserablen Umfrageergebnisse hat er unbeirrt Zuversicht in seiner Partei verbreiten, sich absolut siegessicher geben und aufpassen, dass er keine gravierenden Fehler begeht. Und: Schlümpfe sind nicht nur klein, listig und gewinnen immer, sondern haben auch Glück.
Für die Miesere der CDU nur Armin Laschet verantwortlich zu machen, wäre unfair. Letztendlich ist er der Kandidat der Parteiführung, denn diese hat mit ihrer Entscheidung den Weg in das Desaster eingeschlagen. Das Festhalten an überkommenen Entscheidungsmechanismen und die Macht des Partei-Establishments erweist sich spätestens jetzt als ein ernsthaftes Problem der bürgerlichen Konservativen. Die SPD ist ihr voraus, sie hat sich zumindest etwas erneuert. Die Wahl des Führungsduo durch die Parteimitglieder bedeutet eine Abkehr von der üblichen Wahlprozedur und stärkt die innerparteiliche Demokratie. Mit der Nominierung von Scholz ist ebenfalls ein Bruch vollzogen worden: der Parteivorsitzende wird nicht mehr automatisch auch Kanzlerkandidat. Für Scholz dürfte der Posten an der Regierungsspitze ohnehin wichtiger sein, als gemeinsam mit einer Genossin die SPD zu führen.
An der CDU-Parteibasis herrscht längst großer Frust über die als „Vergewaltigung“ empfundene Entscheidung, Laschet zu nominieren. Er konnte die Vorbehalte gegen ihn nicht ausräumen, die Stimmung nicht zu seinen Gunsten drehen und beweisen, dass er „Kanzler kann“. Um den Abwärtstrend aufzuhalten und seien Chancen auf das Kanzleramt zu wahren, bräuchte er einen oder mehrere Joker, mit denen er auftrumpfen könnte. Aber diese hat die CDU nicht. Die Partei der Mitte ist mehr denn je eine Partei der Mittelmäßigen. Bezeichnend für ihre Lage ist, dass Merz wieder in die politische Arena zurückkam, als Hoffnungsträger gefeiert wurde, aber dann überraschend bei der Wahl zum Parteivorsitzenden scheiterte.
Das von Laschet angekündigte Team soll die Wende im Wahlkampf bringen, aber mehr als ein B-Team hat die CDU nicht aufzubieten. Auf Umfragen kann sicherlich nicht immer vertraut werden, aber die CDU und ihr Kanzlerkandidat sind kurz vor der Wahl offensichtlich in einen Abwärtsstrudel geraten. Jetzt kann sie nur noch ein Wunder retten. Es sieht aber ganz danach aus, dass Deutschland nach 16 Jahren unter der Merkel-Raute bald von einem schlumpfig grinsenden Bundeskanzler regiert wird.