In den vergangenen Tagen ist Erika Steinbach, die CDU-Bundestagsabgeordnete und Präsidentin des Bunds der Vertriebenen wegen ihrer Äußerungen zum 2. Weltkrieg und über den Deutschland-Beauftragten Polens heftig kritisiert worden. Inzwischen hat sie sich aus dem CDU-Vorstand zurückgezogen. Beim ZAD hat diese Entwicklung vermutlich einigen Frust verursacht, denn die CDU Politikerin gilt als eine Unterstützerin der „armenischen Sache“. Am 24. April hatte Steinbach an der Gedenkfeier in der Frankfurter Paulskirche teilgenommen, sie saß in der ersten Reihe zwischen dem Ex-Vorsitzenden des ZAD und dem neuen Botschafter der Republik Armenien.
Einen Monat vorher hatte der ZAD-Vorstand in einer ZAD-Info-Mail unter dem Titel „ZAD trifft Politik“ (28. März 2010) eine neue Initiative bekannt gegeben: „Der Zentralrat der Armenier in Deutschland (ZAD) hat beschlossen, seine politischen Aktivitäten zu intensivieren, und dafür eine Gesprächsreihe initiiert, die das Verständnis wichtiger Persönlichkeiten aller politischen Parteien und des öffentlichen Lebens insgesamt für die Anliegen der Armenier in Deutschland fördern soll.“ Es ist nicht überraschend, dass der ZAD-Vorsitzende gemeinsam mit seinem Amtsvorgänger und einem bekannten ZAD-Aktivisten am 23. März als erste „wichtige Persönlichkeit“ Steinbach in ihrem Büro besuchte.
Als Dokumentation des Treffens mit einer Bundestagsabgeordneten wurde in der Anlage der Info-Mail ein Foto mit Frau Steinbach und den drei ZAD Vertretern verschickt. Ebenfalls im Anhang befand sich der Text der Rede, die Steinbach wenige Tage später im Bundestag hielt. Es ist wohl eine Art Gefälligkeit an ihre armenischen Besucher gewesen, dass Steinbach am Anfang ihrer Rede kurz auf die Drohung Erdogans einging, die armenischen „Gastarbeiter“ auszuweisen und den Völkermord erwähnte. Drei Sätze später kam sie zum eigentlichen Thema: der sexuelle Missbrauch von Kindern und die Haltung der Grünen. Vielleicht haben sich die Abgeordneten im Bundestag darüber gewundert, warum Steinbach ausgerechnet Erdogans Drohung und den Völkermord an den Armeniern als Einleitung ihrer Rede benutzte.
Seit dem Debakel im Zusammenhang mit der beabsichtigten Mitgliedschaft des ZAD im rechten Vertriebenenverband „Europäische Union der Flüchtlinge und Vertriebenen“ (EUFV) (2007/2008) hat sich nichts Wesentliches geändert. Der neue Vorstand hätte versuchen müssen, den im Zusammenhang mit der EUFV entstandenen Schaden zu beseitigen. Kann das durch die Zusammenarbeit mit rechten Vertriebenenverbänden arg ramponierte Ansehen des ZAD etwa dadurch wiederhergestellt werden, indem man sich mit Erika Steinbach trifft? Es wäre notwendig gewesen Beziehungen zu Parteien, Organisationen und Persönlichkeiten zu knüpfen, die nicht dem rechten Spektrum angehören.
„Die Gesprächsreihe ‚ZAD trifft Politik’ wird regelmäßig etwa einmal monatlich stattfinden und soll nicht zuletzt der Vernetzung sowie der stärkeren Verankerung deutsch-armenischer Anliegen in der deutschen Öffentlichkeit dienen. Der ZAD wird seine entsprechenden Berichte auf die ZAD-Website sowie per InfoMails veröffentlichen“, heißt es in der ZAD-Info vom 28. März 2010. Seitdem hat die armenische Öffentlichkeit nichts über die Fortsetzung der „Gesprächsreihe“ erfahren. Vielleicht spekuliert die ZAD-Führung wie so oft auf das schwache Gedächtnis der Armenier: Wer erinnert sich z.B. noch daran, das der ZAD am 20.01.2010 vom Förderverein Lepsiushaus in Potsdam die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung gefordert hatte? In ihrem Schreiben diktierte sie sogar die Tagesordnungspunkt: “1. Missbilligung der Mittäterschaft des Lepsiushauses in einer so genannten türkisch-armenischen Historikerkommission 2. Diskussion des vorgelegten Jahresprogramms 2010 des Lepsiushauses“. Nach den heftigen Angriffen gegen den Förderverein und Prof. Hermann Goltz herrschten plötzliche wieder Stille. Es mag sein, dass später in Gesprächen „Hinter den Kulissen“ die Probleme gelöst werden konnten. Warum aber wurde die armenische Öffentlichkeit nicht informiert? Der ZAD-Vorstand rechnete offenbar nicht damit, dass sich ihre Mitglieder später an solche Ereignisse erinnern und vielleicht sogar unbequeme Fragen stellen könnten.
Die politische Laufbahn der 67-jährigen Erika Steinbach geht allmählich ihrem Ende entgegen. Es bleibt zu hoffen, dass auf der bevorstehenden ZAD-Mitgliederversammlung der rechtsorientierten Politik des ZAD-Vorstands auch ein Ende gesetzt wird, bevor der Schaden – für die gesamte armenische Gemeinschaft – noch größer wird. Notwendig wäre, sich darauf zu einigen, nur mit Persönlichkeiten Kontakte zu suchen, die in Politik und Gesellschaft unumstritten sind, zumindest nicht so einen Ruf haben, wie Erika Steinbach oder die rechten Vertriebenenverbände. Die ZAD-Mitglieder sollten mit klaren Beschlüssen sicherstellen, dass der Vorstand in solchen wichtigen Fragen bestimmte Kriterien beachtet. Ob der Vorstand und diejenigen, die weiterhin im Hintergrund die Politik des ZAD lenken, ein Mitspracherecht der Mitglieder akzeptieren werden, ist vielleicht eher unwahrscheinlich. Aber zumindest sollten die Mitglieder die Lehren aus den Vorgängen in der Vergangenheit ziehen und ihre Kontrollaufgaben entschiedener wahrnehmen, sonst tragen sie eine Mitverantwortung für die Entwicklung.